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Presseerklärung des VBE-Bund vom 02.06.2025

Barrieren in der Schule: Inklusion in Deutschland stockt

Repräsentative Umfrage zeigt geringe Entwicklung seit 2020 und massive Lücke zwischen Anspruch inklusiver Beschulung und schulischer Realität „Die Inklusion in der Schule ist in den letzten fünf Jahren kaum vorangekommen“, kommentiert der stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Tomi Neckov. Dies zeigt die vom VBE in Auftrag gegebene, repräsentative forsa-Befragung von 2.737 Lehrkräften zur schulischen Inklusion. Nach Befragungen in 2015, 2017 und 2020 können mit der Umfrage 2025 Entwicklungen aufgezeigt werden – wo es sie gibt. „Die größte Herausforderung bleibt, dass die Lehrkräfte die Chancen von Inklusion sehen, aber täglich mangelnde Ausstattung und fehlende Unterstützung erleben. Hier zeigt sich ein strukturelles Versagen. Die Politik muss begreifen: Inklusion ist kein Randthema – sie ist ein Prüfstein für den Zustand unseres Bildungssystems. Und wenn 41 Prozent der Befragten angeben, dass ihre Schule nicht barrierefrei ist, wird offensichtlich, dass etwas gehörig schief läuft. Der mangelnde Zugang betrifft nicht nur Kinder mit Behinderung“, betont Neckov. „Auch Eltern und Lehrkräfte werden ausgeschlossen. Das widerspricht dem Grundrecht auf Teilhabe und freie Berufswahl.“

Mehrheit steht hinter Inklusion – aber möchte Förderschulen erhalten

Die grundsätzliche Zustimmung zur Inklusion ist hoch: 62 Prozent der befragten Lehrkräfte (2015: 57 %) halten das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung für sinnvoll – bei Lehrkräften mit praktischer Erfahrung im inklusiven Unterricht liegt der Anteil sogar bei 69 Prozent. Doch aufgrund fehlenden Personals, großer Klassen und mangelnder individueller Förderung halten nur 28 Prozent Inklusion auch in der aktuellen schulischen Umsetzung für praktikabel. Das hat Folgen: Fast die Hälfte der Befragten spricht sich für den mehrheitlichen Erhalt von Förderschulen aus, ein Drittel für den vollständigen Erhalt. Nur knapp 20 Prozent sprechen sich für die mehrheitliche Abschaffung von Förderschulen aus. Es zeigt sich eine starke Korrelation zwischen dem Befürworten des Abschaffens von Förderschulen und der Erfahrung mit Inklusion. Neckov betont: „Das Erleben macht offen für die Vorteile von Inklusion! Es darf aber keine Zusatzaufgabe ohne Ressourcen sein. Die Offenheit für das inklusive Beschulen und die Aufgabe, dies umzusetzen, muss mit den notwendigen Rahmenbedingungen einhergehen.“

Personalmangel erschwert Inklusion

In zwei Dritteln der Fälle bleibt die Klassengröße unverändert, wenn Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hinzukommen. Ebenfalls zwei Drittel der Befragten geben an, dass inklusiv unterrichtende Lehrkräfte regelmäßigeine Doppelbesetzung mit einer sonderpädagogischen Fachkraft an der Seite haben – auch wenn sich das fast alle wünschen. Die Unterstützung multiprofessioneller Teams kann nur die Hälfte der Befragten wahrnehmen. Nicht zuletzt können herausfordernde Situationen kaum aufgefangen werden. Nur von einem Fünftel der Befragten wird von unterstützenden Maßnahmen an ihrer Schule berichtet. Der VBE-Vize Neckov macht deutlich: „Die Konsequenz dieser Arbeitsbedingungen sind Überlastung und Frustration. Die Politik muss reagieren und mit kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen für echte Entlastung sorgen!“

Qualifikation und Austauschformate bleiben hinter Bedarf zurück

Trotz wachsender Anforderungen fühlen sich viele Lehrkräfte unzureichend vorbereitet: Zwei Drittel berichten, dass Inklusion in der Ausbildung inklusiv unterrichtender Lehrkräfte nicht vorkam, und fast die Hälfte verfügt nicht über sonderpädagogisches Wissen. Spezielle Fortbildungen im Vorfeld und begleitend zur Einführung inklusiven Beschulens wurden von über der Hälfte der Lehrkräfte wahrgenommen. Tomi Neckov dazu: „Viel mehr Lehrkräfte würden Fortbildungen wahrnehmen, aber der Mangel an Angeboten und Zeit verhindert das.“ Zudem braucht es feste Koordinierungsstrukturen und Besprechungen während der Arbeitszeit. Die Zahl der Befragten, die angeben, dies zu haben, hat sich verdoppelt. „Trotzdem bleibt es für jede Person in der Wirtschaft unvorstellbar: Meetings zwischen Tür und Angel oder gar in der Freizeit. Für Lehrkräfte ist das Alltag. Da ist die Demotivierung doch vorprogrammiert“, kritisiert Neckov.

Digitale Mittel unterstützen – aber sie ersetzen nicht

Die Umfrage zeigt auch, dass drei Viertel der befragten Lehrkräfte digitale Endgeräte zur individuellen Förderung in inklusiven Settings nutzen. An Grundschulen und Förderschulen etwas mehr, an Gymnasien etwas weniger. Die Hälfte nutzt entsprechende Angebote mindestens wöchentlich – zum Beispiel Lern-Apps und Spiele. Es werden differenzierte Aufgabenstellungen erstellt oder das eigenständige Lernen der Schülerinnen und Schüler unterstützt. Zudem können körperlich beeinträchtigte Kinder digitale Endgeräte für alternative Darstellungsformen nutzen oder sich Aufgabenstellungen vorlesen lassen. Neckov meint: „Der Einsatz digitaler Unterstützungsmöglichkeiten ist richtig, gut und ein Gewinn für den Unterricht. Aber es kann den persönlichen Kontakt zur Lehrkraft nicht ersetzen. Die Entlastung, die sich die Politik von dem Einsatz digitaler Endgeräte erhofft, darf nicht überbewertet werden.“

Ein Aufbruch für Inklusion!

Der stellvertretende Bundesvorsitzende des VBE, Neckov, macht deutlich: „Es bleibt dabei: Auf die Lehrkraft kommt es an. Und wenn die nicht angemessen unterstützt wird, kann Inklusion nicht gelingen. Genau das ist aber noch immer die Situation – und sie bessert sich im Vergleich zu 2020 nicht deutlich genug. So verwundert es nicht, wenn fast die Hälfte eher unzufrieden und über ein Drittel sogar sehr unzufrieden mit der Inklusionspolitik im Bundesland ist. Besonders gravierend: Jene, die selbst in inklusiven Lerngruppen unterrichten, sind öfter sehr unzufrieden, nämlich sogar 44 Prozent der Befragten. Ein Armutszeugnis für die Politik!“ Für Neckov ist klar: „Was wir jetzt brauchen, ist ein echter Aufbruch. Wir fordern mehr Personal, mehr Qualifikation, mehr Zeit für Zusammenarbeit und endlich barrierefreie Schulen. Damit Inklusion in die Mitte der Gesellschaft kommt.“

Die Umftrage, Grafiken und die vollständige Presseerklärung finden Sie unter den weiterführenden Links:

Forsa-Umfrage - Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrkräfte in Deutschland

Forsa-Umfrage - Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrkräfte in Nord-Ost Deutschland

Pressemitteilung des VBE vom 02.06.2025

Pressemitteilung des VBE-MV vom 02.06.2025

Präsentation Inklusion an Schulen Nord-Ost